Franz Xaver RöĂle.
Erstmals erschienen 1998 in den GeschichtsblÀttern des historischen Vereins.
In der frĂŒheren Saarburgkaserne, heute Katharinenanger, gibt es nach einem Beschluss des Stadtrats zwischen der Geschwister-Scholl-StraĂe und der Edith Stein-StraĂe auch eine Alois-Elsner-StraĂe. Der Name Elsner steht damit auch nahe denen von Viktor Frankl, Irving Heymont und Israel Beker. Wer verbirgt sich hinter diesem Namen? Was ist von ihm zu berichten?
Im Themenheft Nummer vier berichtet die BĂŒrgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert ĂŒber den Bauleiter im KZ Lager Kaufering und Landsberg Walter Groos, der als Gerechter in Yad Vashem geehrt wird. Dort wird auch eine kleine Landsberger Widerstandsgruppe erwĂ€hnt, bestehend aus âdem Kaminkehrer Alois Elsner, dem Polizeibeamten Rasso Leitenstorfer, dem Kommunisten Alfred Schacke und zwei Ărztenâ, die Medikamente, Kleidung und Nahrung in die KZ Lager geschmuggelt haben. Alois Elsner war in dieser Gruppe wohl derjenige mit der gefĂ€hrlichsten Mission. Einen Einblick geben Dokumente, die sich dazu im Besitz der Familie Elsner erhalten haben.
Alois Elsner ist am 16.6.1897 in Burglengenfeld/Oberpfalz geboren. Nach der Lehre in Regensburg, der MilitĂ€rzeit 1916-1918 und der Gehilfenzeit pachtete er 1923 ein Kaminkehrerrealrecht in Abensberg. Dann erwarb er das Realrecht Geweth in Landsberg und nahm als Kaminkehrer seinen Wohnsitz zunĂ€chst in der MuseumsstraĂe, spĂ€ter in der Augsburger StraĂe 19. In der Zeit ab 1927 war er Mitglied der bayerischen Volkspartei und fĂŒr sie bis zu deren Auflösung aktiv tĂ€tig. Das bekam er bereits im Jahre 1933 zu spĂŒren. Bei der Neueinteilung der Kehrbezirke 1936 nach der âMachtergreifungâ wurden ihm die Bereiche Hurlach, Kaufering und nördlich zugewiesen, eine Schikane, weil der neue Kehrbezirk fĂŒr ihn wesentlich schwerer erreichbar war (mit dem Rad!) als der Landsberger Kehrbezirk, wo er wohnte. Das 1926 kĂ€uflich erworbene Realrecht war 1935 wie alle anderen 86 Realrechte in Bayern entschĂ€digungslos gestrichen worden. Der Kehrbezirk war damit von Behördenentscheidungen abhĂ€ngig, der WillkĂŒr in der NS Zeit unterworfen.
Elsner wurde im November 1938 zwecks Ausbildung zur Wehrmacht fĂŒr einige Zeit eingezogen, obwohl er verwitwet war. Bei Kriegsausbruch 1939 wurde er erneut eingezogen, im Dezember 1939 allerdings wieder entlassen. Letztlich, so schrieb er selbst, blieb im spĂ€ter nichts anderes ĂŒbrig, als im Jahre 1941 seinerseits der NSDAP beizutreten. In der Partei war er allerdings nur bis April 1943. Er erzwang durch provokatives Verhalten seinen Rauswurf aus der Partei selbst. Mit einstweiliger VerfĂŒgung vom 14.4.1943 wurde Elsner aus der NS Partei ausgeschlossen, denn so die BegrĂŒndung wörtlich: âIhr Verhalten ist, abgesehen von der Interessenlosigkeit, die aus ihr spricht, in höchstem MaĂe disziplinlos. Sie werden deshalb im Schnellverfahren aus der Partei ausgeschlossenâ. Elsner hatte seinerseits dem Ortsgruppenleiter der NSDAP bereits im MĂ€rz 1943 erklĂ€rt, er solle ihn wieder streichen und besondere AktivitĂ€ten abgelehnt. Elsner schreibt nach dem Krieg am 10.1.1946: âAuch kann ich mit reinem Gewissen sagen, dass ich bei den so genannten Volksabstimmungen des Dritten Reiches niemals mit Ja gestimmt habe.â
Als 1944 zunĂ€chst im Gleisdreieck bei Kaufering und schlieĂlich auch im Bereich Hurlach KZ-Lager mit Barackensiedlungen eingerichtet wurden, lagen diese im Kehrbezirk von Alois Elsner. Als Kaminkehrer hatte er die Barackensiedlungen aufzusuchen und nahm das Elend und die Grausamkeit der Lager mit wachen Augen wahr. Er konnte nicht wegsehen und nahm zahlreiche Kontakte mit KZ HĂ€ftlingen, vor allem Ărzten der Krankenbaracken auf. Dokumentiert ist das durch Dankesbriefe, die Elsner und seine Frau erhalten haben, und durch eine gemeinsame ErklĂ€rung mehrerer KZ-HĂ€ftlinge vom 21.7.1947 zur Vorlage an die amerikanischen Behörden.
Interessant ist vor allem auch ein Zettel, der im KZ von einem Stefan Fonyo geschrieben worden ist und der eine Wunschliste mit GegenstĂ€nden enthĂ€lt, die Alois Elsner in das KZ schmuggeln sollte. Diesen Zettel hat Alois Elsner zusammen gefaltet in seinem Kaminkehreranzug mit nach drauĂen genommen, wie die RuĂspuren nahe legen. Hier der Wortlaut: âSehr geehrter Herr Elsner! Bitte empfangen Sie meinen innigsten Dank fĂŒr Ihre bisher erwiesene LiebenswĂŒrdigkeit. Dies gibt mir Mut, dass ich mich mit der folgenden Bitte an Sie wende. Ich hĂ€tte dringend nötig folgende Sachen: 1warme Unterhose, warmes Hemd, Swetter, zwei Paar StrĂŒmpfe, zwei TaschentĂŒcher. Ich verlange diese Sachen in der Hoffnung, dass ich in kurzer Zeit auf Freiheit gesetzt werde und die geliehenen GegenstĂ€nde vielfach und mit Dank zurĂŒck erstatten kann. Ihre LiebenswĂŒrdigkeit vorhinein dankend, verlange von Gott den gröĂten Segen auf Sie und Ihre werte Familie. Mit vielen GrĂŒĂen Ihr ergebener Stefan Fonyo – und ein paar warme Handschuheâ.
Soviel zu schmuggeln, scheint fast unglaublich zu sein, aber weitere Briefe beweisen diesen Sachverhalt. Am 8.7.1947 schrieb Margit Katz, damals wohnhaft im Eisvogelweg 5 in Weilheim u.a.: âVielleicht erinnern sie sich nicht mehr an mich: Kaufering drittes Lager in der KĂŒche war ich als âMagd im roten Kopftuchâ. HĂ€ufig haben Sie mir StrĂŒmpfe, Seife, KĂ€mme sogar etwas zu Essen gebrachtâ. Am 19.6.1945 schrieb Dr. Robert Held an Alois Elsner: âSeit ich in Puch wohne habe ich sehr oft schon von Ihnen erzĂ€hlt, was sie alles fĂŒr uns taten und wie oft sogar das Leben aufs Spiel setzten. Es ist wirklich ein Hohn des Schicksals, dass gerade Sie aus ihrem Heim hinaus musstenâ. Dr. Held spielt in diesem Zusammenhang darauf an, dass trotz des mutigen Eintretens von Alois Elsner fĂŒr die KZ- HĂ€ftlinge auch er durch die amerikanische Besatzungsmacht gezwungen wurde, sein Haus zu rĂ€umen. Er wohnte einige Zeit in einem Stadel bei dem landwirtschaftlichen Hof Sanktjohanser. Wie sein Sohn Alois Elsner erzĂ€hlt, ist er spĂ€ter heimlich wieder in den Keller seines Hauses eingezogen. Auch in dieser Situation war Alois Elsner jemand, der sich nicht einfach mit den VerhĂ€ltnissen abfinden wollte, zumal er wirklich ungerecht behandelt wurde.
Die erwĂ€hnte ErklĂ€rung mehrere KZ-HĂ€ftlinge fĂŒr die amerikanischen Behörden vom 21.7.1945 liegt in Englisch und Deutsch vor. Sie ist unterzeichnet von HĂ€ftlingsĂ€rzten, unter anderem nĂ€mlich Dr. Robert Held Lager Kaufering 3 sowie Dr. Josef Heller Lager 3-4. Letzterer hat seine HĂ€ftlingsnummer 71653 und seine damalige Anschrift in RumĂ€nien mit angegeben. Diese ErklĂ€rung zeigt auf, dass der âWunschzettelâ von Stefan Fonyo nicht ĂŒbertreibt, sie bestĂ€tigt das systematische Schmuggeln vonâ Medikamenten, Lebensmitteln, Kleidern insbesondere StrĂŒmpfen, WĂ€sche etc.â In der ErklĂ€rung vom 21. 07. 1945 wird zusĂ€tzlich aufgefĂŒhrt, dass Alois Elsner ĂŒber ihm bekannt gewordene geplante Schikanen der SS MĂ€nner die HĂ€ftlinge warnte. Er hat die HĂ€ftlinge, so bestĂ€tigten die Unterzeichner, aufgefordert zu flĂŒchten und hatte sich ihnen gegenĂŒber verpflichtet, fĂŒr eine Anzahl von HĂ€ftlingen eine Unterkunft zu bieten und zu sichern. Alois Elsner informierte durch Abhören der âFeindsenderâ des Londoner Radios KZ-HĂ€ftlinge ĂŒber die militĂ€rische Lage, was gefĂ€hrlich, aber in der scheinbar hoffnungslosen Lage psychologisch ganz besonders wichtig war. Die Unterzeichner nennen Alois Elsner einen âaufrichtigen Freund und Gönnerâ und schreiben wörtlich: âDurch diese uns erwiesenen Dienste hat er oft im wahren Sinne des Wortes sein Leben aufs Spiel gesetzt.â
Am 8.7.1945 schrieb Dr. Berkes Istvan mit der Dachauer KZ Nummer 122191 an Alois Elsner: âals freier Mann kann ich Ihnen erste Mal schreiben und danken, dass Sie ein edler und tapferer Mann waren in diesen schweren Zeiten was wir mitgemacht hatten. Der Herrgott hat unser Leben gerettet: aber dazu haben Sie mir sehr viel geholfen, dass Sie mit Ihrer eigenen Lebensgefahr die Pakete in Lager hereingeschmuggelt haben und damit geholfen haben meinen und mehrere Kameraden vor dem Hungertod zu retten.â
Die Ehefrau von Alois Elsner bekam, ebenfalls unter dem Datum des 08.07.1945, von einer Frau Helene Eger einen Brief. Diese schreibt darin, ihr Bruder sei seit neun Wochen mit noch zwei Kameraden bei ihr und sie hĂ€tten die letzten Strapazen zwar schwer, aber doch ĂŒberstanden und âsomit sind sie lebend, von Hölle Kaufering -Dachau entronnen. Dass das möglich war danken sie hauptsĂ€chlich Ihnen und Ihrem lieben Gatten, die unter Lebensgefahr diesen armen Menschen geholfen habenâ. Am 20.1.1947 schreibt aus Erding wiederum Frau J. Eger: âIch werde nie vergessen, dass Sie mir halfen mein Bruder und andere UnglĂŒcklichen im KZ vom Hunger und Erfrieren zu retten.â
Auch zwei Dokumente zu Elsners Beziehung zu Alfred Schacke (s.o.), einem Kommunisten, haben sich erhalten. In einem Brief vom 10.2.1946 an Alois Elsner gibt Alfred Schacke seiner Sorge Ausdruck, dass selbst angesichts der TrĂŒmmer und des grauenhaften Elends viele immer noch ihr Heil im Militarismus und im Krieg erblicken. Unter dem gleichen Datum bescheinigt er Alois Elsner und Rasso Leitenstorfer, mit ihm zusammen eine antifaschistische Bewegung in Landsberg gebildet zu haben. â Die Besprechungen fanden des öfteren in der Wohnung des Herrn Elsner statt, neben der Altnazi – und Antikriegspropaganda war die Hauptaufgabe die illegale Betreuung der KZ HĂ€ftlinge mit Kleidern, Medikamenten und Lebensmitteln. Von den KZ HĂ€ftlingen war unserem Genossen Schacke bekannt geworden, dass Herr Elsner schon immer hervorragend die KZ HĂ€ftlinge betreut hatte.â Diese wenigen Dokumente, die sich im Familienbesitz der Familie Elsner erhalten haben, geben ein beeindruckendes Bild von Elsners Rolle in diesem Kreis aktiver Retter. Leider erzĂ€hlen sie wenig von den anderen Mitwirkenden.
Alois Elsner ist im Jahr 1971 gestorben. FĂŒr seine mutigen Taten hat der keine Vorteile, keine Anerkennungen keine Ehrung erfahren, und dies wohl auch nicht gewollt. FĂŒr ihn galt angesichts des Elends nichts anderes als zu helfen. Er hat sein Leben fĂŒr die KZ-HĂ€ftlinge mehr als einmal riskiert. FĂŒr uns kann Alois Elsner als Vorbild an Mut und Menschlichkeit gelten, wir dĂŒrfen ihn sicherlich zu den âGerechtenâ zĂ€hlen. Die posthume Ehrung durch Benennung einer StraĂe dort, wo nach dem Krieg dass DP- Camp der KZ Ăberlebenden war, steht der Stadt gut an.
Vergessen wir aber auch nicht Frau Maria Elsner, die Ehefrau. Nicht umsonst, so scheint mir, ist einer der Dankesbriefe (8.7.1945 von Helene Eger) an sie gerichtet. Ohne seine Frau, der die AktivitĂ€ten ja nicht verborgen bleiben konnten, und ohne ihre UnterstĂŒtzung hĂ€tte Elsner den KZ HĂ€ftlingen nicht helfen können, und so schreiben die Ăberlebenden Doktor Held und Dr. Goldberger und weitere Unterzeichner am 27.7.1945: âFrau Elsner war ihm in seiner edlen Mission stĂ€ndig behilflich, indem sie die Medikamente in verschiedenen Apotheken aufgetrieben hat etc.â Ihr Mut ist dem ihres Mannes gleichzusetzen.
Die Briefe der Ăberlebenden an Alois Elsner sind aber nicht nur Dokumente der Dankbarkeit. Sie erinnern auch an die Schicksale der KZ-Opfer und ihrer Angehörigen, die Freude ĂŒber die Befreiung, die Trauer ĂŒber Leid und Tod, auch an den ohnmĂ€chtigen Zorn der Ăberlebenden und die Schwierigkeiten des Neubeginns.
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