Das War Criminal Prison No1: wo Schuld und Sühne aufeinandertrafen
Unmittelbar nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 machten sich die Alliierten entschlossen daran, mit der Vergangenheit Deutschlands aufzuräumen und zwangen sie gleichzeitig, ihre Augen gegenüber den Gräueltaten des Dritten Reiches zu öffnen. Die im Rahmen der Potsdamer Konferenz beschlossenen Maßnahmen wie Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Zerschlagung der Kartelle waren das eine, über die Deutschen Gericht zu halten, das andere. Stichwort: Nürnberger Prozesse.
In Landsberg am Lech trafen bereits im Herbst 1945 die ersten Gefangenen ein. Noch vor den ungleich mehr im Bewusstsein verankerten Nürnberger Prozessen nämlich hatten die Amerikaner in Dachau die ersten Kriegsverbrecher, die sich in den sogenannten KZ-oder Fliegerprozessen zu verantworten hatten, verurteilt. Drei von ihnen wurden bereits am 19. November 1945 dem Henker übergeben (die Urteile im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wurden dagegen erst am 1. Oktober 1946 verkündet). Das ehemalige „Hitlergefängnis“, von den Amerikanern zum War Criminal Prison No1 umfunktioniert, wurde damit auch zum Hinrichtungsort.
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War Crime Prison No 1: Hinrichtungen |
Dem Historiker Thomas Raithel zufolge („Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944-1958“) befanden sich nach anfänglich schwächerer Belegung, darunter auch Frauen, Mitte Dezember 1947 bereits „908 Gefangene in der US-Anstalt“. Zu den „Dachauern“ waren zwischenzeitlich auch 110 „Nürnberger“ (Verurteilte der Nürnberger Nachfolgeprozesse) gestoßen, unter ihnen Industrielle, Diplomaten, Minister, hohe Militärs, Ärzte und Banker, kurzum, das „Who is who“ im Nationalsozialismus. Mit ihnen und den aus in dem Shanghai-Prozesse Verurteilten lebten unter den Gefangenen alte Hierarchien auf. Die „Shanghai-Men“ klagten nach ihrer Überführung von China nach Landsberg gegen ihre Verurteilung. Dieses Urteil wiederum sollte für die Bush-Regierung nach dem 11. September 2001 eine Rolle in dessen Guantanamo-Politik spielen.
Überhaupt nahmen Juristen eine besondere Rolle ein, denen die Anstaltsgeistlichen beider Kirchen in nichts nachstanden. Schon bald waren aus NS- und Kriegsverbrechern Helden, gar Märtyrer geworden. Unter der Obhut des katholischen Anstaltsgeistlichen Karl Morgenschweis stand auch Oswald Pohl, streckenweise Himmlers Stellvertreter. Er mutierte von einem der grausamsten SS-Männer zu einem lammfrommen Christen. Dass im Grunde genommen die meisten unschuldig der Siegerjustiz ausgesetzt waren, auch diese Botschaft hatte sich nicht nur in Landsberg dank ein- und ausgeschmuggelter Akten und Kassiber und den daraus gewobenen Lügen und Legenden herumgesprochen. Die Netzwerke wirkten bis nach Amerika, wo sich nicht zuletzt Joseph McCarthy hervortat.
Das Idyll am Lech entwickelte sich zunehmend zu dem Ort in Deutschland mit der größten Symbolkraft revisionistische Aktivitäten der Nachkriegszeit. Sie erreichten Anfang 1951 ihren Höhepunkt. Mit einer Großdemonstration auf dem Landsberger Hauptplatz protestierten Tausende gegen die Vollstreckung der noch ausstehenden 28 Todesurteile, beziehungsweise gegen die mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 abgeschafften Todesstrafe. Realiter war es ein Sympathiebeweis für die Kriegsverbrecher. Die letzten Hinrichtungen fanden – nach unzähligen Eingaben und Resolutionen, selbst an Papst Pius XII. - am 7. Juni 1951 statt. Auch wenn er zahlreiche Urteile aufgrund des öffentlichen und auch politischen Drucks mildern musste, hatte der zuständige Hochkommissar John McCloy auf ihrer Vollstreckung bestanden.
13 Jahre nach der Kapitulation, am 9. Mai 1958, wurde das WCPL wieder an die bayerische Justiz übergeben.
Karla Schönebeck, 2016
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